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Mitarbeit im Tamieh-Projekt – ein Erfahrungsbericht

April 2025, von Anna Scheer, SoBaWi-Mitglied

Wahrscheinlich hab ich einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Das bisherige Team hatte wohl sich aufgelöst und nur sehr wenige Menschen mit Projekt-Vorwissen waren noch an Bord.
Jedenfalls traf ich auf einen Zwischen-/Zustand, der von diffusen Vibrations, Unklarheit über die Projektvision, meist Abwesenheit von Projekt- und Bauleitung geprägt schien.

Im ersten Telefonat, zum Mitarbeiten im Tamieh-Projekt, fiel ein Satz, der mich begleiten sollte, etwa so: Nicht, dass Du mit falschen Erwartungen kommst, wir sind nicht so ein richtiges SoBaWi-Projekt, wir hatten uns da nur drangehängt..
Da es ohnehin und nun erstmal mein erstes “Quasi-SoBaWi-Projekt” war, konnte ich mir da noch keinen wirklichen Reim draus machen, war dann aber doch etwas erstaunt, dass “Logis” zwar gestellt würde, jedoch “Kost” versucht wurde, wegzuverhandeln. Vor Ort, mit einem Ansprechpartner, der gerade in seine neue, leitendere Rolle schlüpfte und sich, nach eigenen Aussagen, noch etwas überfordert fühlte, war Kost dann wieder selbstverständlich gestellt.
Ebenfalls hieß es, von bedarfsorientiertem Ausgleich habe man sich verabschiedet: es hätte zuviel Unmut verursacht und zuviel Zeit gekostet (auch hier ein Teil unserer Werte adé?). Die vorgestellten Ausgleichsstaffelungen (s. hier auf unserer Seite), in die ich mich als “Selbständige mit Rechnung” eingeordnet hatte, wollte man ebenfalls zunächst abwiegeln, teils mit Argumenten, man sei ja ein Verein und: wenn es Spaß macht, fühle es sich ja gar nicht an wie Arbeit.. So musste ich mir einiges unserer SoBaWi Grundwerte letztlich erst hart erdiskutieren, teils begleitet von ziemlich destruktivem Umgang.

Immer wieder konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren (der von unterschiedlichen Seiten wohl ebenso wahrgenommen bis tatsächlich bestätigt wurde), dass das SoBaWi Netzwerk genutzt werden sollte, um “billige Arbeitskräfte” zu rekrutieren und Werte gleichzeitig gekippt und als Argumente für geringere Zahlung herangezogen wurden.
Ich hörte gleichzeitig, dass durch Umstrukturierung nun leitendere Personen, sich teils selbst in höhere Gehälter eingestuft hätten. Ob das zusammenpasst?

Auf der Baustelle selbst hatte ich immer wieder das Gefühl, uns arbeiten zu lassen, und auch nicht ohne Druck, statt gemeinsam an einer tollen Sache zu wirken.

In einem Reflexionsgespräch fragte ich daher mal konkret, welche SoBaWi Werte und Grundsätze sie praktizieren würden. Die Antwort war eher durch Unkenntnis geprägt.

Es gibt offenbar einen Trägerverein, Innen- und Außenkreise, scheinbar auch eine Sponsorin, die in den 2 Wochen meiner Anwesenheit jedoch alle, wenn überhaupt, kaum in Erscheinung traten.
Wermutstropfen: Die Unterbringung war echt verdreckt, teils massiv Schimmel befallen (ok, das Gebäude würde in nächster Etappe verkauft und saniert, und vom bisherigen Team bis dato privat bewohnt), aber gestellte Logis würde ich mir doch etwas sorgsamer wünschen.
Da Mitwirken der Vereins-/Kreismitglieder kaum ersichtlich und auch kaum davon erzählt wurde, war meine Anregung, dass Reinigen, Verpflegen etc. als Support und Backup doch gute Aufgaben aus dem Verein heraus sein könnten.

Ob die Technik, das gesamte Gebäude in Ständerbauweise mit Stampflehm von Hand zu bewerkstelligen, zeitgemäß ist, würde ich in Frage stellen. Inzwischen wurde mir andernorts von alternativen Techniken, und in großem Stil umgesetzt, berichtet, die mir sinnvoller und praktikabler erscheinen.
Auch adäquates Handwerkzeug habe ich hierfür vermisst, eine Einweisung, wie es am geschicktesten und effektivsten zu machen wäre, hat mir ebenfalls gefehlt. Ausprobieren war eher die Devise. Dauert aber 😉

Für eine aktuelle Ansicht der Bauentwicklung habe ich uns ein paar Fotos mitgebracht (Stand April 2025).

Es gäbe noch einige konstruktive Anregungen, nach all meinen dortigen, persönlichen Erfahrungen. Z.B. sich erfahrene SoBaWi-Menschen (zur Beratung/Begleitung in Krisenzeiten) dazuzuholen. Oder auch z.B. mitwirkende Geflüchtete in unsere Werte – und speziell den Umgang mit Frauen – aktiv zu integrieren. Anregungen wurden gerne angenommen. Was davon ggf. umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Ein abschliessendes Reflexionsgespräch fand man eine gute Idee, es fand aber nie statt.

Die Chemie mit allen, die in der Zeit durchgehend vor Ort waren, haben wir, ich glaube einstimmig, als gut und im Miteinander empfunden, mit guter gegenseitiger Feedbackkultur, Feuerschale und Co. Das war der Hauptgrund, warum ich die geplanten 2 Wochen durchgehalten hab und geblieben bin.

Es war auf jeden Fall ein Sprung ins kalte Wasser.
Eine Menge Erfahrungen und Erkenntnisse, was es braucht – und was es erschwert.

Also danke für die herausfordernden Lernerfahrungen und toitoitoi für die weiteren Wege von Tamieh.