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»Unsere Natur erlebbar machen«

Wir sind Teil der Natur

Wenn wir von unserer Natur sprechen, dann denken wir meist an die Natur, die uns umgibt. Doch die Natur umgibt uns nicht, sie durchdringt uns. Auch wir sind Natur. Es gibt nur eine Natur und ein Teil davon sind wir. Ein Teil, von vielen Teilen, die in ihrer Gesamtheit die Natur bilden. Die Eigenschaft unserer Natur ist, dass alles mit allem verbunden ist. Es gibt keine Trennung zwischen den Teilen.

Wir können unsere Natur willkürlich in beliebig viele Teile aufteilen und jedes Teil einzeln betrachten. Das kann in vielen Fällen sehr praktisch sein, aber es ändert nichts daran, dass alles zusammen ein lebendiger Organismus ist der aus vielen kleineren Organismen besteht die alle miteinander verbunden sind. Genau so verhält es sich mit unserem menschlichen Organismus. Wir können viele einzelne Teile betrachten, die in ihrer Gesamtheit den Organismus bilden. Von den einzelnen Organen bis auf die Zellebene mit den unterschiedlichen Zelltypen. Jede Zelle für sich ist ein Organismus der sich vermehren kann und der auch sterben kann. Trotzdem bilden alle Teile zusammen den Gesamtorganismus unseres Körpers. Alle Teile sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Nur durch die sinnvolle Zusammenarbeit der einzelnen Teile wird Leben möglich.

Jede einzelne Zelle von uns besteht aus den gleichen Bausteinen, aus denen auch die Natur um uns aufgebaut ist. Täglich gestalten die Kräfte der Natur unseren Körper neu, indem sie ca. 50 Milliarden Zellen unseres Körpers durch neue Zellen ersetzen. Die Energie, die dieses Zusammenspiel aller Teile organisiert, ist das Leben. Das ist unsere Natur. Wenn wir diese Kraft bewusst wahrnehmen, dann fühlen wir unsere Verbundenheit. Dann fühlen wir uns eingebunden in ein großes, Ganzes. Dann fühlen wir uns heil und lebendig und wir fühlen daß alles „in Ordnung“ ist. In dieser Ordnung fühlen wir uns zu Hause, ganz egal wo wir sind.

Wir können uns von unserer Natur abspalten

Als Menschen haben wir die Möglichkeit unsere Natur zu verleugnen. Wir können so tun, als wären wir von der Natur unabhängige Wesen. Das funktioniert, wenn wir unsere Sinne, mit denen wir unsere Verbundenheit wahrnehmen können, einfach ignorieren. Beispielsweise unseren Sinn, für die Wahrnehmung von Mitgefühl oder den Sinn mit dem wir die Auswirkung unserer Handlungen erleben. Dazu gehört auch der Sinn, mit dem wir Empathie für unser gegenüber oder für uns selbst wahrnehmen können. Wenn wir all diese Sinne ungenutzt verkümmern lassen, dann sind wir irgendwann so „schwachsinnig“, dass wir uns nicht mehr länger als lebendigen Teil eines größeren Ganzen erleben. Dann erleben wir uns als unnatürliche Wesen, ganz unabhängig von der Welt um uns.

Aber was motiviert uns dazu, unsere Natur zu verleugnen? Was haben wir davon, wenn wir Teile von uns abspalten?

Das geschieht in den seltensten Fällen bewusst. Es ist meist die Reaktion auf eine innere oder äußere Not. Wenn die Folgen unserer Handlungen Schmerzen in uns verursachen würden, dann wollen wir diesen Schmerz nicht fühlen. Statt unsere Handlungen zu ändern können wir den schmerzenden Teil von uns abspalten. Wenn wir uns von dem schmerzenden Teil trennen indem wir unsere Verbundenheit ignorieren, dann fühlen wir keinen Schmerz und stattdessen entsteht da ein oberflächliches Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Wir können ganz nach Belieben handeln, ohne die Konsequenzen unserer Handlungen spüren zu müssen. Wir können dann ohne schlechtes Gewissen auf Kosten der restlichen Welt einen egozentrischen und zerstörerischen Lebensstil praktizieren. Die Konsequenzen betreffen meist den von uns abgespaltenen Teil, den wir nicht mehr fühlen. So konnten wir unsere Natur zerstören, ohne es spüren zu müssen. Es tut scheinbar gar nicht weh, weil wir den schmerzenden Teil nicht mehr wahrnehmen, da wir ihn von uns abgespalten haben.

Doch dieses scheinbare Gefühl von Freiheit ist bei genauerer Betrachtung genau das Gegenteil von Freiheit. Es ist die Illusion von Freiheit zu dem Preis, dass wir unsere lebenswichtigen Verbindungen ignorieren – die Verbindungen über die wir mit Lebensenergie versorgt werden. Wir verlieren dadurch die Verbindung zu unserer Natur, zu unserer Mutter Erde und zu allen Mitwesen auf der Erde. Wir verlieren dadurch auch die Verbindung zu unserem eigenen Körper.

Wir nehmen nicht mehr wahr, wenn wir uns durch ungesunde Nahrungsmittel vergiften, wenn wir unsere Seele durch ein unnatürliches Welt- und Selbstbild nieder drücken und unsere Depressionen damit erschaffen.

Wir nehmen das Leid der Tiere, die wir durch unsere sogenannte Nutztierhaltung quälen, nicht mehr wahr und wir nehmen nicht mehr wahr, wie wir durch unser zerstörerisches Handeln die Vielfalt des Lebens auf unserer Erde immer weiter reduzieren. Indem wir uns künstlich abtrennen, fühlen wir uns auch nicht mehr zu Hause, ganz egal wo wir uns aufhalten und wir leiden unter unserer selbst kreierten Einsamkeit. Das ist der Preis für das Gefühl scheinbarer Freiheit. Wir bezahlen dafür mit unserem Leben.

Das Streben nach dieser Art von Freiheit, die durch Abspaltung entsteht, lässt sich mit der Motivation einer Krebszelle vergleichen, die ihr eigenes Leben führen will, frei und unabhängig vom restlichen Organismus.

Unsere Abspaltung ändert aber nichts an der natürlichen Ordnung und an unserer Verbundenheit. Ob wir die Verbundenheit wahrnehmen oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass wir verbunden sind. Es geht nicht darum, dass wir irgendwohin zurück müssen. Es geht darum, dass wir wahrnehmen was ist, was schon immer so war und was sich auch in Zukunft nicht ändern wird. Das einzige, was sich geändert hat, ist unsere Wahrnehmung und wie wir damit umgehen. Entsprechend unserer Wahrnehmung entwickelt sich unsere Natur. Die Entwicklung unserer Natur sollte der Maßstab für unser Handeln sein.

Echte Freiheit basiert auf dem Bewusstsein, dass wir ein Teil von einem größerem Ganzen sind. Wir können dann frei darüber entscheiden, ob wir mit unseren Handlungen zur Heilung oder zur Teilung beitragen möchten. Wir können dann auch frei darüber entscheiden, ob wir unsere Natur erleben wollen oder ob wir unsere Sinne für dieses Erleben ungenutzt verkümmern lassen wollen. In dem Maß, in dem wir unsere Sinne verkümmern lassen, in dem Maß geht uns auch der Sinn für unser Leben verloren. Es sind unsere Sinne, mit denen wir das Leben und den Sinn, der im Leben implizit vorhanden ist, wahrnehmen können.

Wie können wir Abspaltungen wieder integrieren

Diese echte Freiheit, die es uns ermöglicht, dass wir uns frei entscheiden können, ob wir eine Abspaltung aufrechterhalten wollen oder nicht, ist leider nur sehr selten vorhanden. Über das Thema der Abspaltung, die in der Traumaforschung auch Dissoziation genannt wird, gibt es viele hilfreiche Erkenntnisse. Da wir die Abspaltung nie bewusst, sondern immer aus einer inneren oder äußeren Not vornehmen, ist es gar nicht so einfach, die Abspaltung zu erkennen. Obwohl die Folgen der Abspaltung ganz häufig unser Leben bestimmen, bleibt uns dieser Zusammenhang oft verborgen. Das lässt sich auch an unserer aktuellen Situation beobachten. Die Folgen der Abspaltung von unserer Natur wirken sich immer gravierender auf unser Leben aus und trotzdem fällt es uns schwer, diese Zusammenhänge zu erkennen.

Wenn wir uns darüber bewusst werden, entsteht daraus nicht automatisch eine Veränderung. Das können wir in unserem persönlichen Leben sehr gut beobachten und es wird auch in unserem gesellschaftlichen Verhalten sichtbar. Das Erkennen der Probleme wirkt sich nicht automatisch auf unser Verhalten aus. Das Erkennen unserer Abspaltung fordert uns dazu heraus, einen neuen und tieferen Blick auf unser Leben und das Leben an sich zu werfen. Wir müssen uns neu ordnen, und dadurch vielleicht auch einen neuen Sinn finden.

Dazu braucht es eine bewusste Entscheidung und viel Geduld. Wenn wir uns dazu entscheiden, dass wir unser Leben verändern wollen, dass wir unsere Abspaltungen wieder integrieren wollen, dann können wir jedes Erlebnis dazu nutzen. Die Voraussetzung ist, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns richten. Dann lernen wir uns wieder mehr zu fühlen. Das ist nicht einfach, denn es kann auch mit Schmerzen verbunden sein. Aber es lohnt sich.

Je besser wir uns fühlen können, desto weniger besteht die Notwendigkeit, uns von Teilen zu dissoziieren. Dadurch können wir dann auch unsere Sinne für das Erleben unserer Verbundenheit wieder stärken. Da in unserem Alltag aber sehr viel ganz automatisch abläuft und sich im Bereich unserer Wahrnehmung viele Gewohnheiten eingeschlichen haben ist es gar nicht einfach, den Alltag dafür zu nutzen. Es ist eine große Erleichterung, wenn wir dafür Freiräume schaffen. Räume, in denen wir uns ganz bewusst der Wahrnehmung unserer Natur widmen. Räume in denn wir gezielt unsere Sinne für die Wahrnehmung unserer Verbundenheit stärken. Diese Räume könnten wir Verbindungsstationen nennen.


Die Illustrationen zu diesem Artikel wurden von M. Garms mit der grafischen KI Midjourney erstellt (mit Nachbearbeitung)