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Meine Ausbildung zum Strohballenhausbauer

Meine Interesse nach ganzheitlichem Naturbau führte mich immer mehr in Richtung Strohballenbau. Viele Bautechniken die heute als “Ökologisch” verkauft werden sind voller Kompromisse und beim genaueren hinsehen mit unnatürlichen industriellen Inhaltsstoffen unwiederruflich vermischt, und haben für mich damit nichts mit wahrhaftigem Naturbau zu tun. Zum Beispiel die weit verbreitete Holzweichfaserplatte ist meist aus Holzfasern, PU-Kleber, Aluminiumsulfat und Paraffin hergestellt. Für mich sind nur Baustoffe zukunftsfähig, die cradle to cradle recycled werden können oder ohne Bedenken kompostiert oder verbrannt werden können.

Vertrauen wir wieder unseren Sinnen, was fühlt sich echt gut an? Was riecht gut? Was fühlt sich echt und natürlich an?

Stroh ist definitiv so angenehm dass man sich am liebsten reinlegt. 🙂

Das Gold vom Acker ist günstig, meist regional im Überfluss vorhanden, ein sehr guter Dämmstoff, 100% Naturmaterial ohne Zusatzstoffe, kann direkt verputzt werden, ist kompostierbar, kann sogar lasttragend eingesetzt werden und fühlt sich einfach richtig an.

Meine Reise geht nach Süd-Portugal wo ich einen intensiv Lehrgang zum Strohballenbau besuchen möchte. Von Mitte Januar bis Mitte März 2024 soll hier mit 2 Lehrern und 8-10 Schülern ein echtes kleines Strohballen-Ferienhäuschen gebaut werden, begleitet von Theorie Unterricht.

Wir wohnen auf einem Bio-Bauernhof 3 km vom Strand entfernt, und ich bin erstaunt wie gut das Wetter hier mitten im Winter ist. Fast durchgehend blauer Himmel und sonnengeküsst bei 12-20 grad perfekter Bau-Temperatur.

In der Einführungswoche lerne ich die bunte Truppe aus verschiedensten Ländern kennen und wir lernen gemeinsam viel wichtiges Grundwissen über die Handhabung, die Modifizierung und die Qualitätskontrolle von Strohballen kennen.

Gleich darauf folgt Unterricht in Passiv-Solar-Strohballenhaus Architektur und Planung. Denn wir Lernenden werden nicht nur unter Aufsicht der Lehrer ein echtes Häuschen von Fundament bis Dach bauen, sondern bekommen auch die Möglichkeit den Entwurf dafür zu zeichnen.

Nachdem die Ideen als Grundrisse zu Papier gebracht und diskutiert und verbessert waren, bekamen wir eine Einführung in das 3D Zeichenprogramm “Sketchup” um einen millimeter-genauen Konstruktionsplan zu visualisieren.

Nächte lang verbrachten wir am Laptop, halfen uns gegenseitig und feilten an unseren Modellen, und ich war echt erstaunt darüber wie schnell man die wichtigsten Funktionen eines solchen Programms lernen kann, und wie es mich ermächtigt fühlen lassen hat, mich jetzt auch in der Lage zu fühlen auch kleine Projekte für selbst zu zeichnen und genau planen zu können.

Schließlich mussten wir auch eine genaue Kostenkalkulation über das gesamte Gebäude erstellen, denn die Besitzer des Bauernhofs für die wir das Stroh-Ferienhäuschen bauen sollten konnten uns nur 15 000 Euro für das gesamte Material zu Verfügung stellen.

Wir stellten unsere Designs der Gruppe vor und wählten die besten 3 aus. Die Bauherren konnten nun aus einem der 3 wählen. Die Entscheidung fiel für die “Honeymoon Suite”, ein sehr romantisch angelegter Grundriss mit 18m2, mit Bad und kleiner Küche.

Genau so motiviert wie wir zeichneten ging es jetzt voll los. Die Vorfertigung der holzsparenden “Straw-Henge” Strohmodulen ging parallel zum Bau vom Fundament.

Alleine das Auffinden, Organisieren und Beschaffen von Baumaterial war eine Herausforderung in Portugal. War aber letztendlich eine super Übung für das Lernen zum planen und organisieren der Baustelle mit einer Brise Kreativität.

Dank der genialen Nut- und Federfunktion der Schwelle und Rähm der Straw-Henge Module, stand der Rohbau mit Dachmodulen innerhalb von 1,5 Tagen.

Dann gab es jede Menge Arbeit die Räume zwischen den Modulen klassisch mit Stroh durch Infill-Boards einzufüllen und nachzustopfen, sowie mit einer Heckenschere flach zu rasieren.

Der straffe Zeitplan und das kleine Budget ließ uns ein Blechdach wählen, dafür entschieden wir aber uns etwas Zeit dafür zu nehmen aus dem Boden vor Ort selbst einen Lehmputz herzustellen.

Nach der speziellen Elektroinstallation im Strohballenbau und dem Anbringen von Schilf-Stuckatur als Putzträger auf allen Holzoberflächen, folgte eine sehr inspirierende Erfahrung wie man ein 100% natürliches Baumaterial fast kostenlos selbst herstellen kann und durch verschiedene Tests die richtigen Mischungsverhältnisse erfährt.

Lehmputz ist mit etwas Arbeitseinsatz nicht nur sehr günstig herstellbar sondern hat auch unglaublich wichtige Eigenschaften für unseren Wohnraum. Der Lehmputz dient uns als luftdichte und feuchtevariable dampfbremsende Schicht, die dafür sorgt dass im Winter kein Kondenswasser in Stroh entsteht, zusätzlich gibt uns der 3-4cm dicke Lehmputz eine optimale thermische Speicher-Masse die dabei hilft die Temperatur im Wohnraum zu regulieren, wobei der Lehm auch noch die Luftfeuchtigkeit ausgleicht und auf einem gesunden Level zwischen 30-70% relative Feuchte hält und nebenbei noch Toxine und Gerüche aus der Luft absorbieren und einlagern kann. Obendrein schützt der Lehm durch seine geringe Ausgleichsfeuchte auch noch die Konstruktion aus Holz und Stroh vor vielen Schäden die in Zukunft durch ungeplante Feuchte entstehen könnten und gewährleistet ganz nebenbei noch den nötigen Brandschutz.

Der Tausendsassa Lehm sieht nicht nur wunderschön aus in seiner natürlichen Farbe, die von braun, zu rötlich, grünlich bis zu weiß gehen kann sondern ist meist eine absolute Gaudi, manchmal auch sehr meditativ in der Verarbeitung. Mit Mutter Erde an den Wänden hat man sich wahrlich spürbar die Natur ins Haus geholt.

Unser Bau-Team aus doch sehr unterschiedlichen Menschen aus vielen Ländern wächst im gesamten Prozess immer mehr zusammen und eine schöne familienartige Harmonie des Zusammenwirkens und Zusammenlebens entsteht. Jeden Abend bekocht eine Person alle anderen, was jeden Abend zum kulinarischen Erlebnis macht und weiter zu bereichernden Gesprächen, Diskussionen und Ideen-Austausch führt. Selbst in dieser Zeit nach Feierabend ergeben sich noch viele Lernmöglichkeiten, da die Lehrer dann auch mal gerne aus dem Nähkästchen plaudern, und viele aufkommende Fragen besprochen werden.

Wenn die Erschöpfung durch dieses intensive Erleben dann doch mal überhand nahm, gab es reichlich Cuddle-Puddles und manchmal sogar Massage-Züge um den Muskelkater oder Verspannungen zu lindern.

Jeden Freitag gab es absolut legendär spaßige Karaoke Abende, und am Wochenende konnten wir oft am Strand so richtig die Seele baumeln lassen.

Bei diesem Projekt übernahmen einige von uns sogar den Einbau der Fenster, das fliesen der Dusche, das herstellen der Holzfensterbretter und das Bodenlegen was eine tolle Übung war um zum echten Bau-Allrounder zu werden.

Die Außenwände wurden auch mit Lehm verputzt und mit einem Kalkanstrich wetterfester gemacht, was ein 100% natürlicher Wandaufbau ist aber den Nachteil eines hohen Wartungsaufwands mit sich bringt, da der Kalkanstrich jährlich erneuert und ausgebessert werden muss. Eine für sehr lange Zeit wartungsfreie Alternative ist eine hinterlüftete Holzfassade oder ein Kalkputz mit hydrophobierungsanstrich.

Zum Schluss bauten wir sogar noch die speziellen Vollholz Möbel welche für dieses Tiny-House Konzept nötig waren und konnten noch ein paar Nächte in unserem erschaffenen Werk testschlafen. Wir fühlten uns sehr wohl in dem durch begehbare Möbel umrundeten Bett, und auch die Akustik der Strohwände ist eine besondere, was wir durch etwas Gesang im Haus feststellten.

Es war absolut wundervoll. Die thermische Masse des Lehms gemeinsam mit der Strohdämmung funktionierte selbst bei dauerhaft gekippten Fenstern optimal. Im März waren die Nächte noch sehr frisch, im Haus aber stehts angenehm warm, am Tag war die Sonne draußen teils schon schweißtreibend, im Haus aber stehts angenehm und erfrischend kühl.

Einmal saß ich alleine Im Haus und bewunderte die schöne Farbe des Lehmputzes und mein Blick schweifte nach draußen auf den Erdboden der Baustelle. Noch einmal spürte ich das wundervolle Erlebnis nach, den Lehm mit den Füßen anzumischen, den wundervollen Geruch, die samtige Textur der perfekten Lehmputzmischung und die meditativen Geräusche der Handwerkzeuge beim Verputzen. Ich spürte so eine starke Verbindung zu diesen Wänden, als seien sie ein Teil von mir und meiner Liebe die jetzt mit diesen Wänden für immer verbunden ist.

Jetzt realisiere ich, dass es in der Zukunft nicht nur nötig ist mit reinen Naturmaterialien zu arbeiten, sondern noch viel wichtiger, dass wir wieder dieses starke Gefühl der Verbundenheit dabei erleben können.

 

Das “Austrian Straw Bale Network” (ASBN) bietet einen Lehrgang namens “Straw Bale Building Training for European Professionals” (STEP) in Englisch und Deutsch an. Er besteht aus 8 STEPs und vermittelt ein gebündeltes Paket an Wissen über:

STEP 1 Grundwissen über den Strohballenbau und Überprüfung der Qualität der Ballen.

STEP 2 Verschiedene Einbau-Techniken im Holzständerbau

STEP 3 Lasttragende Bauweise

STEP 4 Fassadendämmung mit Stroh von Bestandsgebäuden

STEP 5 Lehm- und Kalkputz

STEP 6 Bauphysik und Raumklima

STEP 7 Architektur und Planung von Strohballengebäuden

STEP 8 Kalkulation und Kommunikation

Neben den 200 Stunden Theorie Unterricht findet der 25 tägige praktische Teil findet auf echten Baustellen statt.

Die lasttragende Bauweise, den Kalkputz und die Fassadendämmung mit Stroh konnten wir in Portugal nicht praktisch lernen, aber dazu bietet der ASBN übers Jahr mehrere Baustellen-Workshops meist in Österreich an, zu denen die Lernenden jederzeit kommen können um ihr Wissen zu vervollständigen.

Ich möchte mich bei allen lieben Menschen, bei der SoBaWi, beim ASBN und bei den Menschen die mich sogar finanziell unterstützt haben von Herzen bedanken, dass ich diese äußerst wertvolle Erfahrung machen durfte.

Ich bin begeisterter vom Strohballenbau als je zuvor und werde mich dieses Jahr voll und ganz auf das weitere Praktizieren dieser ganzheitlichen Naturbauweise fokusieren, und gerne meine gesammelte Erfahrung weitergeben.